Unser Grundlagenmodell der Selbstführung

...und warum wir als Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­ler:innen Selbst­füh­rungs­kom­pe­ten­zen für un­ab­ding­bar hal­ten.

In die­sem Blog­bei­trag stel­len wir Anita Grafs «Mo­dell der Selbst­ma­na­ge­ment­kom­pe­tenz» vor. Wir fin­den die­ses des­halb so gut und nütz­lich, weil es ohne un­zu­läs­si­ge Ver­ein­fa­chun­gen aus­kommt und trotz­dem sehr hand­hab­bar ist. Es spie­gelt ein in­te­gra­ti­ves und psy­cho­lo­gisch fun­dier­tes Ver­ständ­nis von Selbst­füh­rung wider und er­mög­licht uns bei Kom­pass Re­tre­ats, all un­se­re Zu­gän­ge und Me­tho­den der Selbst­füh­rung ebe­nen­ge­recht ein­zu­ord­nen und zu be­schrei­ben.

Als Selbst­füh­rung de­fi­nie­ren wir mit Graf die selbst­ver­ant­wort­li­che Steu­e­rung und Ge­stal­tung des ei­ge­nen Le­bens, so dass die ei­ge­ne Leis­tungs­fä­hig­keit und Leis­tungs­be­reit­schaft, das ei­ge­ne Wohl­be­fin­den und die Ba­lan­ce ge­stärkt und lang­fris­tig er­hal­ten wer­den. Unter Selbst­steu­e­rung ver­steht man die ge­ziel­te Ak­ti­vie­rung und Len­kung von Selbst­kon­trol­le und Selbst­re­gu­la­ti­on. Selbst­kon­trol­le be­schreibt die Fä­hig­keit, das ei­ge­ne Ver­hal­ten so zu kon­trol­lie­ren, dass man tun kann, was man sich vor­ge­nom­men hat, auch bei Ab­len­kun­gen oder An­stren­gung. Sie ist be­son­ders wich­tig, um lang­fris­ti­ge Ab­sich­ten und Ziele ver­fol­gen zu kön­nen. Und Selbst­re­gu­la­ti­on schliess­lich um­fasst die be­wuss­te Steu­e­rung und Ab­stim­mung in­ne­rer An­tei­le (Emo­ti­o­nen, Ko­gni­ti­o­nen, Hand­lungs­im­pul­se) zu­guns­ten eines si­tua­tiv pas­sen­den Ver­hal­tens.

Selbst­füh­rungs­kom­pe­tenz lässt sich dabei auf drei Ebe­nen ver­or­ten:

I   Selbst­ver­ant­wor­tung, als Ebene der Werte und Hal­tun­gen

II  Selbs­t­er­kennt­nis als Ebene der Re­fle­xi­on und

III Selbst­ent­wick­lung als Ebene der Hand­lung


Selbst­ver­ant­wor­tungs­kom­pe­tenz be­deu­tet

«…dass Men­schen be­wusst ist, in wel­che Rich­tung sie im Leben gehen wol­len, so­dass Sinn ent­steht. Sie haben für sich ein per­sön­li­ches Leit­bild de­fi­niert und ge­stal­ten ihr Leben so, dass die we­sent­li­chen Dinge ge­nü­gend Raum und Pri­o­ri­tät er­hal­ten. Sie sind sich ihrer Gren­zen be­wusst und kön­nen diese re­spek­tie­ren, ver­tre­ten und durch­set­zen. Sie wis­sen, wann ein Nein zu an­de­ren ein Ja zu sich selbst ist. Sie kom­mu­ni­zie­ren ihre An­lie­gen und sind be­reit, Dinge oder Per­so­nen, die ihnen nicht gut­tun, los­zu­las­sen und nicht der Ver­gan­gen­heit ver­haf­tet zu blei­ben. Sie sind in der Lage, die dafür not­wen­di­gen Ent­schei­de zu tref­fen und durch­zu­ste­hen.“ (Graf, S.62).

Me­tho­den:

  • An­ge­lei­te­te Re­tre­ats, Vi­si­on Quests
  • Psy­cho­the­ra­pie, Coa­ching
  • In­di­vi­du­el­le Aus­zei­ten, per­sön­li­che Ein­kehr


Selbs­t­er­kennt­nis­kom­pe­tenz be­deu­tet

„...dass Men­schen über die Fä­hig­keit und die Be­reit­schaft ver­fü­gen, neue Er­kennt­nis­se und Ein­sich­ten über sich selbst zu ge­win­nen. Sie nut­zen ver­schie­de­ne Quel­len zur Ge­win­nung von Selbs­t­er­kennt­nis und sind be­fä­higt, ei­ge­ne Ge­dan­ken, Emo­ti­o­nen und Ver­hal­tens­wei­sen zu re­flek­tie­ren. Sie er­ken­nen ihre Be­dürf­nis­se, Mo­ti­va­ti­ons­an­rei­ze und Werte und sind sich ihrer Kom­pe­ten­zen und Po­ten­zi­a­le be­wusst. Sie be­trach­ten Si­gna­le ihres Kör­pers als wich­ti­ge In­for­ma­ti­ons­quel­le für das ei­ge­ne Wohl­be­fin­den.“ (Graf, S.63)

Me­tho­den:

  • Re­so­nanz und Feed­back in Lern­zir­keln, Su­per­vi­si­on, peer to peers
  • Selbs­t­er­kun­dung: U-Jour­na­ling, Wheel of Live, Iki­gai, Stär­ken-ACs, BIP, The Work u.v.a.
  • Ta­ge­buch­me­tho­de
  • Me­di­ta­ti­on, Kör­per­a­r­beit, Na­tur­di­a­log


Selbst­ent­wick­lungs­kom­pe­tenz be­deu­tet

„...dass Men­schen die Fä­hig­keit und die Be­reit­schaft be­sit­zen, zu ler­nen, zu wach­sen und sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Sie haben le­bens­lan­ges Ler­nen als Prin­zip ver­in­ner­licht. Sie sind in der Lage, Be­dürf­nis­se und per­sön­li­che Ent­wick­lungs­zie­le in Hand­lun­gen zu über­füh­ren und so das Leben in die Rich­tung zu steu­ern, die dem ent­spricht, was sie er­rei­chen möch­ten. Sie kön­nen sich von Zie­len und Ansprü­chen lösen, die un­er­reich­bar ge­wor­den sind, und sie be­sit­zen Fle­xi­bi­li­tät in Bezug auf ihre Le­bens­ge­stal­tung.“ (Graf, S.64)

Me­tho­den:

  • Ar­beits­tech­nik, Zeit­ma­na­ge­ment, Pri­o­ri­sie­run­gen
  • Tools, wie Kan­ban, Get­ting things done, di­gi­tal Clea­ning u.a.
  • Ri­tu­a­le
  • Kon­ti­nu­ier­li­che Pra­xis der Selbst­steu­e­rung (At­mung, Kör­per, Me­di­ta­ti­on, etc.)


Woran wird gute Selbst­füh­rung ge­mes­sen? Wel­che Wir­kung soll­te gute Selbst­füh­rung haben? Anita Graf ord­net die Kri­te­ri­en in vier Wir­kungs­be­rei­che:

  • Leis­tungs­fä­hig­keit: Kom­pe­ten­z­ent­wick­lung, Ar­beits­markt­fä­hig­keit, Ge­sund­heit
  • Leis­tungs­be­reit­schaft: Iden­ti­fi­ka­ti­on, En­ga­ge­ment, Kre­a­ti­vi­tät
  • Wohl­be­fin­den: Po­si­ti­ves Grund­ge­fühl, En­ga­ge­ment, Flo­wer­le­ben, ge­lin­gen­de Be­zie­hun­gen, Sin­ner­le­ben, Ziel­er­rei­chung, Er­folg
  • Ba­lan­ce: Ba­lan­ce kör­per­li­cher Be­dürf­nis­se: Er­näh­rung, Schlaf, Be­we­gung, in­di­vi­du­el­ler Rhyth­mus (Ak­ti­vie­rung/ Ent­span­nung), Emo­ti­ons­ma­na­ge­ment, Aus­ge­gli­chen­heit, geis­ti­ge Ba­lan­ce von Kon­zen­tra­ti­on und Los­las­sen, Life-Do­main-Ba­lan­ce im Sinne aus­ge­wo­ge­ner Pri­o­ri­sie­rung von Be­dürf­nis­sen in ver­schie­de­nen Le­bens­be­rei­chen


      Warum wir als Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­ler:innen so be­harr­lich auch an der in­di­vi­du­el­len Selbst­füh­rungs­kom­pe­tenz ar­bei­ten? Weil Men­schen in­di­vi­du­ell und kol­lek­tiv bes­se­re Ent­schei­dun­gen tref­fen, und weil es ihnen in der heu­ti­gen sub­jek­ti­vier­ten Ar­beits­welt bes­ser geht, wenn sie eine hohe Selbst­füh­rungs­kom­pe­tenz haben.

      Die heute in vie­len Ar­beits­kon­tex­ten vor­han­de­ne Au­to­no­mie ver­langt von uns die selbst­ver­ant­wort­li­che Be­gren­zung un­se­rer Ar­beits­leis­tung, die selbst­ver­ant­wort­li­che Er­hal­tung der Ar­beits­fä­hig­keit, eine selbst­ver­ant­wort­li­che Kar­rie­re­ent­wick­lung, Lern­be­reit­schaft, ge­konn­te Selbst­ver­mark­tung. Die Fle­xi­bi­li­täts­an­for­de­run­gen sind hoch: zeit­lich, ört­lich, in­halt­lich, so­zi­al. Die Re­gu­la­ti­on im Um­gang mit In­for­ma­ti­on (Zu­gäng­lich­keit, Menge, Viel­falt, Un­ter­bre­chun­gen) will ge­meis­tert sein. Wir sind ge­for­dert in der Ba­lan­ce un­se­rer Le­bens­be­rei­che (Ver­ein­bar­keit, ver­wi­schen­de Gren­zen).Ver­schie­de­ne fu­ture skills Ta­xo­no­mi­en be­stä­ti­gen die Wich­tig­keit von Selbst­ver­ant­wor­tung und Selbst­füh­rung.

      An­ge­sichts mul­tipler An­for­de­run­gen ist in­ne­re Ori­en­tie­rung ge­fragt, und um diese zu er­lan­gen braucht es ei­ni­ges an in­ne­rer Ar­beit. In­ne­re Ar­beit heisst: Wir ver­ste­hen es als fort­lau­fen­de Pra­xis, an uns zu ar­bei­ten, uns zu ent­wi­ckeln und zu wach­sen. Wir über­neh­men die Ver­ant­wor­tung für unser Den­ken, Füh­len und Han­deln und ge­stal­ten unser Leben im Span­nungs­feld von Selbst- und Fremd­be­stim­mung. Wir wis­sen, was wir kön­nen, wol­len, brau­chen.

      Wir haben einen in­ne­ren Kom­pass und kön­nen uns selbst na­vi­gie­ren, auch in an­spruchs­vol­len oder gar re­strik­ti­ven Si­tua­ti­o­nen.

      Li­te­ra­tur für The­o­rie- und Kon­zep­t­in­ter­es­sier­te:

      • Bauer, J. (2015). Selbst­steu­e­rung. Die Wie­der­ent­de­ckung des frei­en Wil­lens. Mün­chen: Heyne
      • Ciom­pi, L. (1997) Die emo­ti­o­na­len Grund­la­gen des Den­kens. Ent­wurf einer frak­talen Af­fekt­lo­gik. Van­den­hoeck & Ru­p­recht, Göt­tin­gen, 1997 oder: http://www.ciom­pi.com/de/af­fekt­lo­gik.html
      • Fink, F. & Mo­el­ler, M. (2018). Pur­po­se Dri­ven Or­ga­ni­za­ti­ons. Sinn – Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on – Agi­li­tät. Stutt­gart: Schaef­fer Poe­schel.
      • Graf, A. (2019): Selbst­ma­na­ge­ment-Kom­pe­tenz in Or­ga­ni­sa­ti­o­nen stär­ken. Leis­tung, Wohl­be­fin­den und Ba­lan­ce als Her­aus­for­de­rung. Wies­ba­den: Sprin­ger Gab­ler.
      • Marti, S. (2018). Her­aus­for­de­rung Selbst­füh­rung. Win­ter­thur: Selbst­ver­lag
      • Se­li­ger, R. (2014). Po­si­ti­ve Lea­der­ship. Die Re­vo­lu­ti­on in der Füh­rung. Stutt­gart: Schaef­fer Poe­schel.
      • Zbin­den, M. (2022): Mensch­lich­keit in der Füh­rung. Mit­a­r­bei­ten­de und Or­ga­ni­sa­ti­o­nen au­then­tisch und er­folg­reich füh­ren


      Beitrag von Simone Inversini
      Am 11.03.2024

      Unser nächster Retreat:

      Den inneren Kompass richten I21. – 23. Mai 2025Hier anmelden